Jamei
„Wir wollen Raketenstoff machen, einen mega Käse"
Tobias Endras sitzt mal wieder in einem Zug nach Hamburg.
Er ist auf dem Weg, um dort Käse aus
einer Gondel heraus an Jamei-Kunden zu verkaufen. Zuvor sind die Laibe Monate, teils Jahre lang im Gewölbekeller der Affineure in Kempten gereift. Mittlerweile haben sich Endras, Martin und
Matthias Rößle mit ihrem Käse mit starken, würzigen Aromen einen Namen gemacht.
Um ihren Keller rankt sich manche Sage. „Es ist kurz vor‘m regnen dort unten, es ist sehr kalt, sehr extrem“, sagt Endras. Um noch mehr Geschmack aus den Laiben herauszukitzeln, hat das Team vor kurzem eine weitere Klimazone geschaffen.
Endras: „Lazarett sagen wir dazu.“
Ein prächtiger Laib Käse.
„Fitnessstudio brauche ich nicht”, lacht Tobias Endras.
Los ging es bei Jamei Laibspeis vor fast 30 Jahren. Vor vier Jahren kam dann Endras hinzu, seit vergangenem Jahr ergänzt er die Geschäftsführung. Er ist gelernter Zimmermann und kannte die Produkte von Jamei schon viele Jahre als Kunde.
Matthias Rößle ist als Wirtschaftsingenieur ebenfalls Quereinsteiger; Martin Rößle als gelernter Molkerei-Fachmann zwar Experte, doch auch für ihn war das Feld der Affination neu, als er vor knapp 15 Jahren miteinstieg. „Die Reifung wird von vielen noch immer sehr stiefmütterlich behandelt“, erklärt Endras. „Es ist eine Art der Fermentation. Viele Almen und Alpen haben sehr begrenzt Platz bei sich im Keller oder zu viel andere Arbeit. Sie wollen den Käse dann schnell losbringen und nutzen gar nicht das ganze Potenzial, das dieser Laib hat.“
Als Autodidakten arbeiten sich die Jamei-Macher in dieses Handwerk ein und beliefern mittlerweile sogar Sternerestaurants.
Doch auch wenn der Käse von Jamei mittlerweile viele Fans um sich schart, gibt es freilich auch Kritiker. Diese werfen den Affineuren etwa vor, Käse zu kaufen, ihn dann „nur“ liegen zu lassen und teurer weiter zu vertreiben. Endras sagt dazu:„Das stimmt. Wir machen keinen Käse. Aber dass wir es einfach liegen lassen, ist natürlich totaler Quark.“ Die Drei prüfen den Käse mehrmals die Woche, begutachten Struktur und Farbe der Rinde, verkosten, schmieren die bis zu 100 Kilogramm schweren Laibe, drehen sie und verlagern sie an andere Plätze im Keller. „Es gibt dort ein Mikroklima, der Keller ist hinten links im Eck einfach noch mal ein halbes Prozent feuchter oder kälter als vorne rechts am Tor. Es macht keinen Sinn, wenn ich den Käse heute dahin lege und morgen da, aber wenn ich den Käse nach einer Woche oder zwei umpositioniere, merke ich tatsächlich, dass es einen Unterschied macht“, erklärt Endras.
Sorten wie Hoi, Schwarze Mamba, Remeker, Mängisch und Herrgöttli
entstehen daraus.
„Ich liebe ja den Käse. Durch dieses Umami, dass beim Fermentieren entsteht, gibt es dem Käse ein Suchtpotenzial. Wenn man nach mehr sucht als ein Jamei Käse, wird es aber dünn”, erzählt Livi von Livis Kitchen.
An ihr Grundprodukt, den Käse, kommen die Affineure häufig über Hinweise aus ihrem Netzwerk. Die Senner lernen sie dann meist persönlich kennen, fahren zu ihnen auf die Almen, besuchen sie bei der Arbeit und kommen ins Gespräch. Brauchte es früher bei manchem noch an
Überzeugungsarbeit, den Käse in ihre Hände zu geben, erreichen das Team von Jamei heute oft konkrete Angebote, erzählt Endras: „Leute fangen an, uns zu kontaktieren und unsere Expertise ernst zu nehmen. Wir bekommen mittlerweile viele Anfragen nach dem Motto: Wir bekommen zehn Laibe und der Älpler wieder einen zurück, um dann zu testen, was wir aus seinem Produkt gemacht
haben.“
Die Rahmenumstände für die Branche werden laut Endras zunehmend herausfordernder, etwa weil Almbauern Klimawandel mit Wasserknappheit, aber auch steigende Kosten spüren. Das Ziel sei deshalb der gemeinsame Weg der Transparenz. Er sagt: „Wir haben zum Beispiel viele junge Kunden, die kaufen nicht viel Käse ein, aber wenn, dann kommen sie zu uns, und die sind schon ein bisschen picky und wollen wissen, was drin ist.“
Jamei Käse ist eine bewusste Kaufentscheidung,
wie eine gute Flasche Wein.
Ein neues Projekt für die Zukunft von Jamei?
Der Handel und irgendwann wohl auch das Affinieren von Weichkäse.
„Es gibt auch gereifte Frischkäse, die ganz fein sind und die finden wir
hochinteressant“, sagt Endras.
Ansonsten gelte weiterhin „Hardcore Hartkäse“. Expandieren sei für Jamei allerdings nur begrenzt möglich. Doch das sei auch gut so, sagt Endras. Es gehe gerade „positiv
rund“, was ihn sehr glücklich mache: „Wir brennen für unser Produkt. Ich fahre manchmal bei Sonnenaufgang zu Alpen hoch und treffe die Senner, zwei Tage später steh‘ ich in Hamburg bei uns an der Gondel und da poppt der Champagner, und dann bin ich wieder im Lager und arbeite hart, bin
voller Käseschmiere.“